Ausschnit aus dem Bericht von: Damian Bürgi, Bote der Urschweiz
Elena Kratter gewann schon zweimal EM-Silber (je einmal im Weitsprung und im 100-Meter-Sprint), einmal WM-Silber und zweimal Bronze an den Paralympics (alle im Weitsprung). Aufgewachsen in Vorderthal musste sie seit Geburt lernen, sich anzupassen: Da sie bei der Frühgeburt mit ihrer eineiigen Zwillingsschwester einen zu schwachen Herzkreislauf hatte, musste der Unterschenkel amputiert werden, sie trägt am rechten Bein von oberhalb des Knies eine Prothese. Aber Hadern ist nicht ihr Ding, und ihr scheinbar unbändiger Ehrgeiz schimmert im Gespräch klar durch. Zudem stellt sie seit Langem ihre Beinprothese selbst her und nimmt auch kein Blatt vor den Mund, wenn es um politische Korrektheit geht.
Sie haben schon mehrmals in Interviews gesagt, dass man Behindertensportlerin oder Behinderung sagen kann. Finden Sie politische Korrektheit in diesem Bereich überfüssig oder gar kontraproduktiv?
Ich fnde es einfach nicht wirklich relevant. Es gibt andere Themen, die viel wichtiger zu diskutieren wären. Für mich spielt es nicht wirklich eine Rolle, ob man nun Behindertensport oder Parasport sagt, man weiss ja genau, was gemeint ist.
Dann sollte man nicht zu überkorrekt sein?
Schlussendlich ist es Behindertensport oder eben Parasport. Wichtig fnde ich, dass man klar zwischen paralympischem Leistungssport und zum Beispiel Rehasport unterscheidet.
Welche Themen, fnden Sie, sollte man denn im Parasport-Bereich angehen?
Es ist wichtig, dass über Parasport geredet wird und wir eine gewisse mediale Aufmerksamkeit erhalten. Ich sehe hier eine sehr positive Entwicklung; wenn man die Berichterstattung von Tokio 2021 und von Paris 2024 vergleicht, ist eine extreme Entwicklung bemerkbar. Ich hoffe, dass dies in die gleiche Richtung weitergeht und wir irgendwann auf dem gleichen Stand sind wie die olympischen Athleten.
Stört es Sie denn auch, dass nur bei Grossanlässen die mediale Aufmerksamkeit für den Parasport so gross ist?
Es gibt sicher noch Verbesserungspotenzial. Der Parasport ist aber wie eine der vielen Randsportarten, bei welchen vor allem an Grossanlässen die Aufmerksamkeit gross ist. Das ist für mich eine normale Entwicklung. Gleichzeitig ist es auch ein Vorteil, denn ich kann mich im Training besser fokussieren, wenn rundherum weniger läuft.
Sie arbeiteten früher nebenberuflich als Orthopädistin und stellten Ihre Beinprothesen stets selber her. Ist das immer noch der Fall?
Ja. Der Vorteil, wenn man diese selber bauen kann, ist, dass ich genau weiss, was ich brauche. So muss ich niemandem erklären, wie ich die Prothese gerne hätte (schmunzelt).
Auf welchem Stand ist hier die Technologie?
Viele Leute haben diese Vorstellungen von Science-Fiction-Filmen, was alles möglich ist – in Wirklichkeit sind das aber Studentenprojekte, die coole und innovative Dinge ausarbeiten, letztlich aber realitätsfern und für uns im Alltag nicht anwendbar sind.
Sie haben schon EM-, WM- und Paralymipcs-Medaillen gewonnen, was sind Ihre nächsten Ziele?
Bronze kann man natürlich noch steigern (lacht). Der Ehrgeiz ist da, aber ich gehe hier Schritt für Schritt, das nächste Zwischenziel ist die Para-Leichtathletik-WM im Herbst in Indien. Langfristig baue ich natürlich für die Paralympics in Los Angeles 2028 auf, aber bis dahin kann noch viel passieren.
Das ganze Interview: «Mir spielt es nicht wirklich eine Rolle, ob man Behindertensport oder Parasport sagt»
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