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Die Para-Cycling-Elite misst sich an der WM auf der Rennstrecke Estoril

Nach einer erfolgreichen Para-Cycling EM in Österreich mit 8 Medaillen für PluSport Athlet*innen verfrachteten die Schweizer Paracycler*innen ihr Gepäck nach Portugal. Dort steht mit der Weltmeisterschaft eine grosse Reifeprüfung und zugleich letzte Qualifikationsmöglichkeit für die Paralympics in Tokio 2020 auf dem Programm.

Insgesamt zwölf Schweizer Athlet*innen gehen bei der UCI-Veranstaltung an den Start. Davon gehören drei Fahrer*innen zur Standing-Kategorie und die übrigen neun sind mit dem Handbike unterwegs. Die portugiesische Küstenstadt Cascais richtet die Weltmeisterschaft aus - die Wettkämpfe finden auf der Rennstrecke in Estoril statt, die auf Gemeindegebiet liegt. «Wir sind fast zwei Jahre ohne wirkliche Standortbestimmung gewesen», sagt Delegationsleiter Matthias Schlüssel. Das sei besonders für jüngere Athlet*innen eine grosse Herausforderung.

Ungewissheit und Vorfreude

Bei den PluSport Athlet*innen schaut man vor der WM in Cascais in eine Art «Blackbox». Viele der Fahrer*innen seien in der Coronazeit vorwiegend regionale, inklusive Rennen gefahren, weshalb es nur wenige Vergleichswerte gegeben habe, so Dany Hirs, Nationaltrainer von PluSport. Für die Schweiz gehen der Routinier und Paralympics-Teilnehmer Roger Bolliger sowie Fabio Bernasconi und Laurent Garnier an den Start, die erst seit 2019 respektive 2020 im Para-Sport aktiv sind.
Bei ihnen steht noch eine Klassifizierung - eine behinderungsspezifische Einteilung in eine Startklasse -  auf internationalem Niveau aus. Anspruchsvoll sind auch die Anpassungen an den Velos, da jeder Fahrer ein individuelles Handicap hat. «Da ist Fantasie gefragt», so Hirs. Auf die Rennstrecke in Estoril freut er sich: «Es gibt einen Flow, da selten starkes Abbremsen gefordert ist».

Neulinge und Veteranen in einem Team

Die Schweizer Delegation könnte in ihrer Zusammensetzung unterschiedlicher kaum sein: Der Ex-Mountainbiker Laurent Garnier beispielsweise ist erst seit 2020 im Para-Spitzensport aktiv. Die Para-Sport-Legende Heinz Frei dagegen kann auf eine rund vierzigjährige Karriere zurückblicken, die er mit einer Teilnahme an den Paralympics in Tokio um ein Kapitel erweitern möchte.

Para-Cycler Fabio Bernasconi: WM-Comeback 15 Jahre später

Fabio Bernasconi vertrat die Schweiz zwar schon Mitte der 2000er Jahr an Junioren-Weltmeisterschaften im Mountainbike und gehört nun 15 Jahre später zum ersten Mal zum Aufgebot für die Weltmeisterschaft des Para-Cycling Team. Dazwischen liegen 15 Jahre, in denen ein schwerer Verkehrsunfall das Leben des heute 36-Jährigen zwischenzeitlich komplett auf den Kopf stellt. Seit 2018 nimmt Bernasconis zweite Radsportkarriere konkrete Formen an. Damals begegnete er im Rahmen eines mehrtägigen Radrennens Dany Hirs und Matthias Schlüssel, die ihn auf sein Potential als Para-Cycler ansprachen. Zuvor hatte sich der ehemalige MTB-Profi nie mit dieser Möglichkeit befasst. Erste Rennen folgten im Jahr 2019 und rasch merkte Bernasconi, wie die Freude am Wettkampf zurückkehrte. Die veränderte Perspektive im Rennen mit Athleten, welche wie er mit einer Behinderung antraten, motivierte ihn. Seitdem ist Bernasconi Feuer und Flamme für den Parasport. Obwohl er voll berufstätig ist, ist sein Trainingsaufwand wieder so hoch, wie zu seinen Zeiten als Mountainbike-Nachwuchshoffnung. Nach ersten Erfolgen auf nationaler und internationaler Ebene gehört er mittlerweile wieder zur Nationalmannschaft im (Para-)Radsport und hofft, sich möglicherweise noch für die Paralympischen Spiele in Tokio qualifizieren zu können. Überhaupt sind Grossveranstaltungen wie die Spiele in Tokio, die Reise nach Portugal oder auch die WM 2024 in Zürich eine grosse Motivation - aber nicht der alleinige Grund für seine zweite sportliche Karriere.
«Gewinnen hat für mich nicht mehr oberste Priorität. Vielmehr schätze ich es, Sport machen zu dürfen, denn er hilft mir körperlich und geistig dabei, trotz der bleibenden Folgen meines Unfalls ein möglichst normales Leben führen zu können,» so Bernasconi. «Dafür bin ich allen, die mir diese Gelegenheit ermöglichen sehr dankbar. Meiner Frau und Familie, die mich enorm unterstützt, aber auch den Verbänden, Veranstaltern, Betreuern und freiwilligen Helfern, welche die notwendigen Strukturen dafür überhaupt erst schaffen.»

Bei der Cycling-WM treten rund 300 Athlet*innen aus 39 Ländern an. Die zahlenmässig grössten Teams kommen aus Spanien, Italien und den Niederlanden. Der Event startet mit dem Team Relay – danach stehen während zwei Wettkampftagen Zeitfahren auf dem Programm. Zum Abschluss messen sich die Fahrer*innen bei Strassenrennen.